DAVID CHIEZE – Zwischen Stille und Struktur: Die neue Sprache der Duftkunst
Ein französischer Parfümeur auf dem Weg, die Nischenparfümerie von innen heraus zu verändern
Von Kindheitswäldern zur molekularen Poesie
Wenn Du einen Duft von David Chieze auf Deiner Haut trägst, spürst Du mehr als eine Komposition – Du spürst einen inneren Monolog aus Emotion, Textur und Wissenschaft. Geboren und aufgewachsen in Frankreich, wurde Chieze früh geprägt durch den Kontrast zwischen der frischen, erdigen Klarheit der Kiefernwälder seiner Heimat und den vielschichtigen Gerüchen urbaner Räume. Schon als Kind war er fasziniert vom Unsichtbaren: vom Geruch der Luft, vom Duft nach Regen auf heißem Stein, vom Wechselspiel zwischen Natur und Stadt. Diese frühe Sensibilität formte sich später zur Berufung.
Chieze entschied sich bewusst für einen doppelten Weg: Erst ein Studium der Chemie, dann die Ausbildung zum Parfümeur. Denn Duft, das wusste er, ist nicht nur Kunst – es ist auch Präzision, ein Spiel aus Molekülen, das verstanden und gemeistert sein will. Diese Verbindung aus wissenschaftlicher Tiefe und künstlerischer Freiheit ist bis heute das Fundament seiner Arbeit.
Die ersten Schritte – Lernen unter einem Meister
Seine berufliche Laufbahn begann David Chieze bei L’Artisan Parfumeur, einem Haus, das seit jeher für künstlerische Freiheit und Unabhängigkeit steht. Dort wurde er von Bertrand Duchaufour entdeckt – einem der einflussreichsten Parfümeure unserer Zeit. Unter seiner Anleitung verbrachte Chieze ein prägendes Jahr der intensiven Ausbildung, in dem er die Feinheiten der Duftkomposition ebenso wie die Verantwortung für eigene künstlerische Entscheidungen lernte.
Diese Zeit bei Duchaufour war kein klassisches Training, sondern eine künstlerische Initiation – ein Übergang vom Handwerk zur Ausdrucksform. Was er dort lernte, ist bis heute spürbar: der Respekt vor der Komplexität der Naturstoffe, die Bedeutung texturaler Tiefe, das Gespür für Balance.
Kollaborationen als Katalysator – Begegnung mit Mark Buxton
2013 traf Chieze auf Mark Buxton – eine Begegnung, die sein kreatives Leben verändern sollte. Buxton, bekannt für seine radikale Klarheit und seine kompromisslosen Kompositionen, erkannte in Chieze einen Gleichgesinnten. Beide verband der Wunsch, Parfum nicht als Konsumprodukt, sondern als emotionale Erzählung zu verstehen.
Chieze wurde Teil von Buxtons kreativem Team und schuf gemeinsam mit ihm Düfte, die durch Reduktion und Emotionalität zugleich glänzten – darunter Empa, Topia, Anti Anti, ŌN und Geschöpf. Besonders Anti Anti, das 2017 für den renommierten Art and Olfaction Award nominiert wurde, brachte Chieze internationale Anerkennung.

Die Philosophie: Textur statt Trend, Emotion statt Effekt
David Chieze komponiert keine Düfte für den Mainstream. Seine Parfums sind Reflexionen über Textur, Erinnerung und Identität. Er beschreibt seine Kreationen mit Begriffen wie „flüssig“, „scharf“, „rau“, „vibrierend“ – denn für ihn ist Duft eine sensorische Landschaft, in der sich Gefühl und Form begegnen.
Sein kreativer Prozess beginnt selten mit einer Note – sondern mit einer Empfindung. Ein Bild, ein Geräusch, ein Geschmack. Er sammelt Sinneseindrücke, ordnet sie, lässt sie wirken. Erst dann entsteht die Idee für eine Komposition. Die Natur ist ihm dabei eine ständige Quelle – in all ihrer Widersprüchlichkeit, Ruhe und Wildheit. Sein Ziel ist stets Balance, Originalität und Performance – drei Kriterien, die in jedem seiner Werke spürbar werden.
Er vergleicht das Komponieren von Parfums mit dem Spiel auf einem Klavier: Tausende von Ingredienzien, unendlich viele Kombinationen – und doch muss jede Bewegung Sinn ergeben, jede Note etwas erzählen. Seine Düfte sind keine Statements – sie sind stille Gespräche.
Die Werke – eine neue Sprache in Duft gegossen
Chieze hat für eine Vielzahl renommierter Häuser gearbeitet – oft im Schatten, aber nie ohne Tiefe. Seine Duftwerke sprechen für sich:
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Anti Anti (Atelier PMP, 2017) – nominiert für den Art and Olfaction Award, holzig-würzig, rau und konzeptionell, mit starker olfaktorischer Präsenz.
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Empa (Atelier PMP) – würzig-floral, mit Noten von Zimt, Kardamom, Rosenholz, Zeder und Ylang-Ylang. Wie eine warme Umarmung aus Erinnerung.
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Topia – grün, leuchtend, dynamisch. Rhabarber, Mate, Zeder und Kraut – urbaner Optimismus trifft wilde Natur.
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ŌN – eine olfaktorische Meditation über das Sein. Cannabis, Patchouli, Vetiver, Cistusharz – tief, erdig, spirituell.
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Geschöpf – introspektiv, nach innen gewandt, mit rauchiger Wärme.
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Delulu & Resonant (.Oddity Fragrance) – mutig, urban, vielschichtig. Düfte zwischen digitalen Räumen und analoger Tiefe.
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Faris (Kajal, mit Urs Castelletti) – aromatisch, würzig, männlich. Ein Duft mit Klarheit und Eleganz.
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Ô Féminin (M. Micallef) – kraftvolle Orangenblüte mit Tiefe. Florale Sinnlichkeit trifft auf moderne Präsenz.
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Fall In Lust (Jillian Switzerland), Blind For Love (LEN Fragrances), Soul of Bali (Swiss Arabian) – emotionale Duftreisen, inspiriert von Orten und Erinnerungen.
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Jade Amour (Thomas de Monaco, 2025) – eine der vielversprechendsten Neuerscheinungen der kommenden Saison. Details sind noch unter Verschluss – doch Duftliebhaber warten mit Spannung.
Seine Palette reicht von holzig-balsamisch über florale Transparenz bis hin zu würzig-grüner Frische. Doch bei aller Vielfalt bleibt seine Handschrift erkennbar: eine emotionale Textur mit innerem Gleichgewicht.

Heute: Forschung, Entwicklung und Kreation bei Luzi
David Chieze ist mittlerweile Parfümeur bei Luzi, einem traditionsreichen Schweizer Dufthaus, das für hohe Qualität, Innovationsfreude und Nachhaltigkeit bekannt ist. Hier verbindet er handwerkliches Können mit künstlerischer Freiheit – und gestaltet die Zukunft der Duftkunst aktiv mit.
Fazit: Eine Stimme der neuen Parfumgeneration
David Chieze ist nicht laut. Nicht exzentrisch. Aber er ist bedeutend. Seine Kreationen haben Tiefe, seine Philosophie ist klar, seine Intuition präzise. Er steht für eine neue Art des Parfümierens – eine, die nicht nach Aufmerksamkeit sucht, sondern Resonanz schafft.
Wer seine Düfte trägt, trägt nicht nur einen Geruch. Sondern einen Teil einer inneren Welt – still, klar, berührend.
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